Bundesnaturschutzgesetz
Das Bundesnaturschutzgesetz definiert die Ziele und Grundsätze für Naturschutz und Landschaftspflege und stellt den Zusammenhang zum europäischen Naturschutzprogramm "Natura 2000" her. Es regelt unter anderem die Umsetzung der FFH-Richtlinie auf nationaler Ebene. Mit der Novelle vom 29. Juli 2009 hat das BNatSchG den Charakter eines Rahmengesetzes verloren und enthält nunmehr vorwiegend unmittelbar wirkende Regelungen.
In § 1 Abs. 1 Nr.1 und Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes ist das Ziel festgeschrieben, die Natur und die Landschaft so zu schützen, dass die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert ist.
Wichtig für das Thema Samengewinnung ist das Kapitel 5. Es bezieht sich auf den allgemeinen Schutz wild lebender Pflanzenarten, also u. a. auch Gräsern und Kräutern, die für die naturnahen Begrünungsmethoden relevant sind. Beim Artenschutz werden nicht nur die einzelnen Arten betrachtet, sondern auch ihre Lebensgemeinschaften und Lebensstätten (Arten-, Lebensstätten- und Biotopschutz) nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 und 2.
Eine bedeutende Aufgabe stellt die Wiederansiedlung von Pflanzen dar. Dabei wird ein ganz deutlicher Bezug auf ihr natürliches Verbreitungsgebiet genommen (§ 37 Abs. 1 Nr. 3).
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 ist es verboten, „[…] wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen […]“. Ebenfalls dürfen ihre Lebensstätten nicht ohne vernünftigen Grund beeinträchtigt oder zerstört werden (§ 38 Abs. 1 Nr. 3). Es ist jedem erlaubt, wild lebende Pflanzen in geringen Mengen und für den persönlichen Bedarf in pfleglicher Weise aus der Natur zu entnehmen, soweit auf der Entnahmefläche kein Betretungsverbot besteht (§ 39 Abs. 3). Die pflegliche Entnahme, bedarf einer Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Das gewerbsmäßige Entnehmen von Samen zur Gewinnung von gebietseigenem Saatgut und auch die Be- und Verarbeitung bedürfen der behördlichen Genehmigung (§ 39 Abs. 4). Eigentumsrechte und die Rechte sonstiger Nutzungsberechtigter müssen dabei beachtet werden. Einer Genehmigung ist stattzugeben, wenn der Artenbestand am Entnahmeort nicht gefährdet wird und keine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts zu befürchten ist. Weiterhin heißt es: „Bei der Entscheidung über Entnahmen zu Zwecken der Produktion regionalen Saatguts sind die günstigen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen.“
Der § 40 BNatSchG trifft Aussagen über geeignete Maßnahmen gegen eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen und Arten bezüglich nichtheimischer, gebietsfremder und invasiver Arten.
„Das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten in der freien Natur […] bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde.“ (§ 40 Abs. 4 Satz 1). „Diese Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedsstaaten nicht auszuschließen ist.“ (§ 40 Abs. 4 Satz 3). Eine Zuwiderhandlung gegen § 40 Abs. 4 Satz 1 stellt gemäß § 69 Abs. 3 Nr. 17 eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. „Gebietsfremd" sind nach der Begriffsbestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 8 solche wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, die in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommen.
Pflanzen, die künstlich vermehrt wurden, fallen nicht unter die Definition „gebietsfremd“, wenn „[…] sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben“ (§ 40 Abs. 4 Satz 2).
Für das Ausbringen von Saatgut außerhalb ihrer Vorkommensgebiete benötigt man bis einschließlich dem 01. März 2020 keine Genehmigung. Das Saatgut sollte aber „vorzugsweise“ innerhalb seiner Vorkommensgebiete ausgebracht werden (§ 40 Abs. 4 Nr. 4). "[...] Auch wenn mit § 40 Abs. 4 Nr. 4 BNatschG die Verwendung gebietsfremder Herkünfte von Gehölzen und Saatgut bis 2010 genehmigungsfrei ist, so verpflichtet die Regelung dennoch bereits jetzt dazu, vorzugsweise gebietseigene Herkünfte zu verwenden. Es handelt sich um eine Sollvorschrift, d. h. um eine Regel vorbehaltlich von Ausnahmen, wie auch die Einschränkung (vorzugsweise) zeigt. Stehen für eine Ausbringung geeignete Gehölze oder Saatgut gebietseigener Herkünfte zur Verfügung, so sind diese zu verwenden,sofern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch nicht verletzt wird. Die Verhältnismäßigkeit ist dann nicht gewahrt, wenn die Verwendung gebietseigener Pflanzen unangemessen hohe Kosten verursacht. Da allerdings die Verwendung gebietseigenen Pflanzenmaterials in der Regel sogar mit wirtschaftlichen Vorteilen durch geringeren Ausfall und geringere Pflege verbunden ist, dürfte auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel Genüge getan sein. Soweit die Beschaffung von gebietseigenem Pflanzmaterial noch mit leicht erhöhten Kosten verbunden ist, ist auch dies vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinnehmbar und verstößt nicht gegen das Ubermaßverbot. Steht von einer zur Pflanzung vorgesehenen Gehölzart kein Pflanzmaterial aus regionalen Herkünften zur Verfügung, so ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass dann immer auch auf gebietsfremde Herkünfte der Art zurückgegriffen werden darf. Vielmehr kann dies zur Folge haben, dass vorrangig auf eine andere verfügbare einheimische Gehölzart regionaler Herkunft mit gleicher standörtlicher Eignung auszuweichen ist. Werden Gehölzanpflanzungen oder Aussaaten als Kompensationsmaßnahmen bei der Anwendung naturschutzrechtlicher Instrumente erforderlich, so ist es legitim, ihre Durchführung mit gebietseigenen Gehölzen anzuordnen. Gleiches gilt bei der Durchführung von Naturschutzmaßnahmen. Beide Maßnahmentypen dienen der Erfüllung der in § 1 BNatSchG vorgegebenen Ziele. Insbesondere die Verpflichtung zum Erhalt der biologischen Vielfalt – und damit auch der genetischen Vielfalt – nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kann die Anordnung zur Ausbringung gebietseigener Pflanzen rechtfertigen, um von Vornherein die Gefahr einer Florenverfälschung ausschließen zu können. [...]" (Schumacher & Werk, 2010)
Hierbei ist auch der Artikel 22 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) zu beachten.
Die zuständige Behörde kann das Entfernen von ungenehmigt ausgebrachten Pflanzen (oder sich unbeabsichtigt in der freien Natur ausbreitenden Pflanzen) anordnen (§ 40 Abs. 6 BNatSchG).
Der Abschnitt 3 unter Kapitel 5 des BNatSchG richtet sein Augenmerk auf den besonderen Artenschutz. Wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten und ihre Entwicklungsformen dürfen nicht aus der Natur entnommen werden (§ 44 Abs. 1 Nr. 4). Des Weiteren ist es gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 4 verboten, ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören (Zugriffsverbote). Für die besonders geschützten Arten besteht außerdem ein Besitz- und Vermarktungsverbot, welches jede Be- und Verarbeitung, ihren Verkauf, ihre Bevorratung und einen Erwerb zu kommerziellen Zwecken verbietet (§ 44 Abs. 2).
Die Entnahme von Saatgut durch einen Mahdgutübertrag ist eine Handlung, die unter diese Zugriffsverbote fallen würde. Da aber ein Mahdgutübertrag einer behördlichen Genehmigung bedarf, sind nach deren Zustimmung die Zugriffsverbote nicht mehr relevant. Gesetzlich ist dieser Sachverhalt in § 45 Abs. 7 geregelt. Demnach können die zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmen von den Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten des § 44 zulassen. Das bedeutet für die Durchführung von naturnahen Begrünungsmethoden, dass diese durch das BNatSchG legitimiert werden.
Auch Kapitel 3 „Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft“ ist für den Umgang und die Verwendung von gebietseigenem Saatgut wichtig und wird im Folgenden analysiert.
„Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen“ (§ 15 Abs. 1 Satz 1) und unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen (§15 Abs. 2 Satz 1). Eine Beeinträchtigung ist ausgeglichen, wenn der Naturhaushalt in gleichartiger Weise wiederhergestellt ist. Ein Ersatz ist erreicht, wenn der Naturhaushalt in gleichwertiger Weise wiederhergestellt ist. Der Ausgleich und Ersatz mittels Regelsaatgutmischungen ist dabei grundlegend in Frage zu stellen. Das Einbringen gebietsfremder Herkünfte gefährdet die floristische Identität der Naturräume (BISCHOFF & MÜLLER-SCHÄRER 2005; WESTHUS & KORSCH 2005; FRANK & JOHN 2007) und erschwert oder verhindert die Etablierung krautiger Arten aus dem Naturraum (JONGEPIEROVÁ et al. 2007). Die geringe Anpassungsfähigkeit von Zuchtsorten und gebietsfremden Herkünften an die lokalen Standortbedingungen (HUFFORD & MAZER 2003; BISCHOFF & MÜLLER-SCHÄRER 2005) kann vor allem unter extremen Bedingungen zu hohen Ausfallraten führen (MÜLLER & KIRMER 2009). Die geplante ökologische Wirksamkeit derart begrünter Flächen wird nur unzureichend oder nicht erfüllt (TISCHEW et al. 2004; BLOEMER et al. 2007; TISCHEW et al. 2010; CONRAD 2007).
Nach § 15 Abs. 3 muss auf „agrarstrukturelle Belange Rücksicht genommen werden“, wenn für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen landwirtschaftlich genutzte Flächen (zum Beispiel Wiesen) in Anspruch genommen werden. Für die Landwirtschaft besonders geeignete Böden sollten „nur im notwendigen Umfang“ für Ausgleichs- und Ersatzzwecke verwendet werden. Vorrangig sollte der Naturhaushalt durch Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen dauerhaft aufgewertet werden, um zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden (§ 15 Abs. 3). Die Datensammlung und Recherche von unter- bzw. ungenutzten Flächen (z. B. Rand- oder Splitterflächen) in einer Datenbank kann dazu beitragen, dass zukünftig vermehrt diese Flächen im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wieder in die Nutzung genommen oder auch renaturiert werden.
Laut § 15 Abs. 7 kann das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMLEV) und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) durch Rechtsverordnung Kompensationsmaßnahmen zu Eingriffen regeln. Macht das BMU keinen Gebrauch von dieser Regelung, geht diese Aufgabe an die einzelnen Bundesländer über.
Demzufolge steht es den Ländern offen, beispielsweise über einen Erlass, die Verwendung gebietseigenen Samen- und Pflanzmaterials zu regeln. Die zuständige Naturschutzbehörde kann dann beispielsweise, sich auf diesen Erlass berufend, die Verwendung von gebietseigenem Saatgut für Begrünungsmaßnahmen anordnen.
Im § 16 werden Aussagen zu Ausgleichsflächenpool und Ökokonten zur Bevorratung von Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen getroffen. Die naturnahen Begrünungsmethoden bieten eine gute Möglichkeit, Flächen bereits vor Eingriffen in Natur und Landschaft aufzuwerten oder neu anzulegen und in einem Ausgleichsflächenpool zu bevorraten.