Planungsschritte für die praktische Umsetzung
(nach KIRMER & STOLLE 2012)
Für eine erfolgreiche Aufwertung oder auch Neuanlage von Offenlandlebensräumen sind verschiedene Planungsschritte erforderlich. Neben dem Einsatz von regionalem und standortangepasstem Saatgut und Pflanzenmaterial sind geeignete Methoden der Umsetzung (Begrünungsmethoden, Ansaatverfahren) einschließlich einer zielorientierten Entwicklungspflege und Folgenutzung (s. Kapitel „Pflege“) unabdingbar.
Planungsschritte und Entscheidungsschema:
1. Analyse Standortbedingungen, Vorbereitung Empfängerfläche
Im ersten Planungsschritt muss eine Analyse der Standortbedingungen auf der Empfängerfläche erfolgen. Dabei sind Substratverhältnisse, Relief, Exposition, Wasserhaushalt, Nährstoffverfügbarkeit, das Potential unerwünschter Arten sowie eine Einschätzung der Erosionsgefährdung von besonderer Bedeutung. Darauf aufbauend kann dann die Flächenvorbereitung geplant werden.
2. Definition Begrünungsziel, Ableitung Zielvegetation
An die Qualität des für die Maßnahme verwendeten Pflanzenmaterials werden unterschiedliche Anforderungen gestellt, die sich aus dem jeweiligen Begrünungsziel ergeben. Für naturnahe Begrünungsmaßnahmen können folgende Begrünungsziele formuliert werden:
- Renaturierung von FFH-Lebensraumtypen und Begrünungen in Schutzgebieten
(Die naturräumliche genetische Identität der Populationen muss oberste Priorität besitzen, daher bei Umsetzung der Maßnahme vorzugsweise direkt geerntetes Material aus nächster Umgebung verwenden) - Wiederherstellung von Biotopvernetzung und Ökosystemfunktionen
(Blühstreifen und ausdauernde Säume als spezifische Lebensräume für Tierarten und -gruppen durch artenreiche Saatgutmischungen regionaler Herkünfte vorrangig mit mehrjährigen Arten) - Begrünungen nach infrastrukturellen Eingriffen in der freien Landschaft
(Zur Gewährleistung von nachhaltiger Erosionssicherung und geringem Pflegeaufwand Verwendung regionaler Ökotypen, die optimal an klimatische und edaphische Bedingungen angepasst sind) - Begrünungen im Kommunalbereich
(Aus Gründen von Ästhetik, Ökologie und Verringerung des Pflegeaufwands Begrünung besonders von Sonderstandorten (Stadtumbau- und Abrissflächen, Industriebrachen) mit heimischen Arten).
In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass regionale Herkünfte standortangepasster Pflanzenarten verwendet werden, die entweder direkt auf Spenderflächen geerntet oder als Saatgut regional vermehrt wurden.
Die Zielvegetation (Beispiele s. u. „Entscheidungsschema“) muss zum einen an den Standort angepasst sein und zum anderen dem Begrünungsziel entsprechen. Zur Entscheidungsfindung ist es hilfreich, die Berater der Wildpflanzenvermehrungsbetriebe einzubeziehen und auf Erfahrungen aus bereits erfolgreich umgesetzten, naturnahen Begrünungen zurückzugreifen.
Für die Zusammenstellung von Samenmischungen können Vegetationsaufnahmen artenreicher Bestände des Zielvegetationstyps in der Region eine Basis bilden. Bei Rohbodenbegrünungen ist es hilfreich, die Vegetationszusammensetzung von spontan besiedelten (älteren) Flächen mit ähnlichen Standortverhältnissen bei der Planung der Zielvegetation zu berücksichtigen.
Prinzipiell sollten Ansaatmischungen im Rahmen des Standortpotentials möglichst artenreich sein (s. Kapitel „Ansaatverfahren“). Bei artenreichen Beständen ist die Risikostreuung höher, da ausgefallene Pflanzenarten in ihrer Funktion durch andere ersetzt werden können; sie reagieren deshalb flexibler bei Störungen (z. B. extreme Witterungsereignisse, Wildschäden). Zudem wird durch eine vielschichtige ober- und unterirdische Struktur der etablierten Vegetation der Standort optimal genutzt und damit auch gesichert.
3. Konkretisierung Nutzungskonzept, Recherche Folgenutzung
Nach der Auswahl der Zielvegetation muss im nächsten Schritt das Nutzungskonzept konkretisiert werden. Der Erhalt der renaturierten (s. Renaturierung) Fläche ist nur dann langfristig möglich, wenn eine sinnvolle Nachnutzung, z. B. als Weide oder Heuwiese sichergestellt wird (s. Kapitel „Pflege“). Dazu ist rechtzeitig ein Kontakt mit potentiellen regionalen Nutzern und Bewirtschaftern herzustellen. Hierzu sollten auch die einschlägigen Agrar- und Umweltförderprogramme berücksichtigt werden. Im Falle von Kompensationsmaßnahmen kann auch ein längerfristiges Pflegemanagement festgeschrieben werden.
4. Auswahl Erntemethode, Festlegung Erntetermine
Sowohl bei der Direkternte als auch bei der Sammlung von Basissaatgut für die Vermehrung muss zunächst nach geeigneten Spenderflächen recherchiert werden. Dies wird in einigen Bundesländern Deutschlands durch ein internetbasiertes Spenderflächenkastaster erleichtert. Um eine Spenderfläche für die Samengewinnung nutzen zu können, muss generell die Genehmigung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde eingeholt werden. Zusätzlich sind Absprachen mit Flächeneigentümern und -nutzern zwingend erforderlich. Der Kontakt kann über die UNB hergestellt werden.
Die Wahl der Erntetechnik bei der direkten Ernte von Samengemischen auf einer Spenderfläche ist von verschiedenen Faktoren abhängig (Bestandesstruktur, Blühphasen der Zielarten, Geländemorphologie, Zugänglichkeit). Auch der optimale Erntezeitpunkt muss anhand der Samenreife der Zielarten geplant werden und hängt stark von der gewählten Zielvegetation ab. Dabei können mehrfache oder zeitgestaffelte Ernten notwendig sein.
5. Auswahl Ausbringungstechnik, Festlegung Umsetzungszeitpunkt
Welche Begrünungsmethode zum Einsatz kommt, wird von der Beschaffenheit des vorhandenen Saat- und Pflanzgutes sowie von den Standortbedingungen auf der Empfängerfläche bestimmt. Für die Ausbringung von frischem Mahdgut oder Heu sowie für Oberboden oder Rasensoden müssen andere Zeithorizonte und Maschinen eingeplant werden als für die reine Ansaat von Samen und Samengemischen (s. Kapitel „Technik“). In diesem Zusammenhang spielt auch der optimale Zeitpunkt der Umsetzung eine entscheidende Rolle: Frühjahr, Herbst oder Winter.
Auf erosions- und austrocknungsgefährdeten Empfängerflächen ist die Übertragung von samenreichem, frischem Mahdgut besonders geeignet. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass sich das Material bei einer dichten Lagerung stark erhitzt und deshalb auf möglichst kurze Transportwege zwischen Spender- und Empfängerfläche geachtet werden muss. Kann das Material nicht unmittelbar nach der Ernte aufgebracht werden, sind Begrünungsmethoden zu wählen, die einen möglichst hohen Samenanteil im Erntegut sicherstellen (Dreschen, Bürsten, Saugen). Getrocknet und gereinigt, können die Samengemische 1 - 2 Jahre eingelagert werden (s. Kapitel „Saatgutvermehrung“).
Auch die vorhandene Vegetation im Umfeld der Begrünungsfläche muss in die Planung einbezogen werden. Auf besiedlungsfähigen, nicht erosionsgefährdeten Flächen ohne problematische Arten im Samenvorrat des Bodens kann z. B. durch eine streifenweise Begrünung die Einwanderung von Zielarten aus der unmittelbaren Umgebung gefördert werden. Damit ist es möglich, bei der Begrünung Aufwand und Kosten zu reduzieren. Kommen dagegen in der Diasporenbank des Bodens oder in der unmittelbaren Nähe der Begrünungsflächen unerwünschte Pflanzenarten vor, ist eine flächendeckende Umsetzung empfehlenswert, um die Anzahl an Etablierungsnischen auf der Begrünungsfläche zu beschränken.
6. Planung Entwicklungspflege, Folgepflege, Erfolgskontrollen
Um einen maximalen Begrünungserfolg zu gewährleisten, muss in den ersten Jahren eine sorgfältige Entwicklungspflege eingeplant werden (s. Kapitel „Pflege“), bei der die Mahdintervalle vorrangig an die Entwicklung der unerwünschten Arten angepasst werden. Dafür sind im ersten Jahr engmaschige Erfolgskontrollen (zwischen Mai und September ca. einmal monatlich) und ein flexibles Management unabdingbar.
Auf nährstoffarmen, trockenen Standorten (z. B. Rohböden) sind die im Landschaftsbau üblichen Schwellenwerte für eine Abnahme (wenige Wochen nach der Ansaat 50 % Vegetationsdeckung, vgl. MARZINI 2004) weder realistisch noch erforderlich. Auf erosionsgefährdeten (Straßen-) Böschungen wird der Erosionsschutz effektiv durch eine Mulchauflage übernommen, bis sich die angesäten, standortangepassten Arten etabliert und ausgebreitet haben (KRAUTZER et al. 2007). Dabei ist zu beachten, dass auf Magerrasenstandorten bei einer oberirdischen Deckung von 30 % die oberen Bodenschichten bereits vollständig durchwurzelt sind und damit ein optimaler Erosionsschutz besteht (STOLLE 2000).
Sobald die Entwicklungspflege in die Folgenutzung übergeht, kann die Erfolgskontrolle in größeren Abständen erfolgen (bis zum 4. Jahr einmal jährlich, danach in größeren Zeitintervallen). Nach welcher Variante (Vorher/ Nachher-, Mit/ Ohne-, Soll/ Ist- Vergleiche) die langfristige Erfolgskontrolle durchgeführt werden soll, muss dabei bereits zu Beginn festgelegt werden.
Entscheidungsschema
Das nebenstehende Entscheidungsschema für Flächenvorbereitungen und standortgerechte Zielvegetationstypen (entnommen aus KIRMER & STOLLE 2012) gibt Hinweise, wann welche Flächenvorbereitungen notwendig sind, welche Begrünungsmethode geeignet ist und welche Zielgesellschaften in Abhängigkeit von Nährstoffstatus und Hydrologie auf Begrünungsflächen etabliert werden können.